Wenn Migräne Ihr Leben zur Qual macht, würden Sie wahrscheinlich fast alles tun, um Ihre Symptome zu lindern.
Aber haben Sie schon einmal gehört, dass ein Ohr-Piercing Ihre Schmerzen lindern könnte?
Ein Daith-Piercing ist ein Schmuckstück, das durch die kleine Knorpelfalte direkt über dem Eingang Ihres Gehörgangs gestochen wird – diese Knorpelfalte wird Daith genannt. Wenn Sie jetzt mit dem Finger auf diesen Teil Ihres Ohres drücken, werden Sie feststellen, dass das Durchstechen dieser Stelle ziemlich kniffelig ist. Es ist außerdem nicht leicht, sich hinterher darum zu kümmern.
Warum also das Piercing überhaupt erst stechen lassen? Vielen Menschen finden es einfach schön. Doch seit kurzem wird das Daith-Piercing auch als alternative Behandlung für chronische Kopfschmerzen empfohlen.
Doch wie viel Wahrheit steckt dahinter? Ist es wirklich möglich, dass etwas so Einfaches wie ein Piercing eine langfristige Linderung von Migräne bewirken kann?
Schauen wir es uns einmal genauer an…
Ist ein Daith-Piercing sicher?
Obwohl sie gängige Praxis sind und im Allgemeinen immer in sicheren und sterilen Umgebungen durchgeführt werden, bergen alle Piercings ein gewisses Risiko. Und Piercings durch Knorpel – wie das Daith – sind risikoreicher als Piercings, die durch weiches Gewebe wie das Ohrläppchen gestochen werden.
Zunächst einmal kann das Stechen eines Daith-Piercings ziemlich schmerzhaft sein. Während des Piercens kann es zu Blutungen kommen, und anschließend zu Schwellungen. Es kann Monate dauern, bis ein Daith-Piercing verheilt ist, und zu bleibenden Narben führen.
Darüber hinaus kann es an der Stelle des Piercings zu einer Entzündung kommen. Bei manchen Menschen kann sich ein Abszess bilden oder es muss ein Stück entzündeter Knorpel aus dem Ohr entfernt werden. Entzündungen, die sich vom Ohr in andere Körperteile ausbreiten, können noch schwerwiegendere Folgen haben.
Wenn Sie Ihr Piercing von einem lizenzierten Piercer stechen lassen – was Sie unbedingt tun sollten – sorgt dieser dafür, dass die damit verbundenen Schmerzen minimiert werden. Er wendet auch eine sterile Technik an, die das Risiko einer Entzündung verringert.
Besorgniserregend sind jedoch gelegentliche Berichte von Migränepatienten, bei denen sich die Migränesymptome nach einem Daith-Piercing verschlimmerten. Das ist natürlich nicht der Sinn der Sache und deshalb werden wir uns jetzt mit den Auswirkungen des Daith-Piercings auf Migräne beschäftigen.
Wie wirkt sich ein Daith-Piercing auf Migräne aus?
Niemand weiß genau, wie Daith-Piercings auf Migräne wirken, aber es wird ein Zusammenhang mit Akupunktur hergestellt. Akupunktur wurde vor über 2000 Jahren in China entwickelt. Dabei werden feine Nadeln an bestimmten Punkten entlang der Meridiane (Energiekanäle oder Qi, von denen man glaubt, dass sie auf der Körperoberfläche entlang laufen) eingesetzt. Die Akupunktur behandelt angeblich Krankheiten und lindert Schmerzen, indem sie diese Energieflüsse korrigiert.
Die Stichstelle des Daith-Piercings liegt an einem Akupunkturpunkt, daher wird angenommen, dass das Piercing wie Akupunktur funktioniert. Doch anstatt einer feinen Nadel wird ein permanentes Piercing durch die Haut und den Knorpel gestochen. Allerdings ist es erwähnenswert, dass Akupunkturpunkte am Ohr äußerst genau positioniert sind, sodass ein Piercing von einem ausgebildeten Akupunkteur positioniert werden müsste, um eine akupunkturähnliche Wirkung zu erzielen Es genügt nicht, sich irgendeinen Ohrstecker stechen zu lassen!
Forscher vermuten auch, dass das Daith-Piercing durch die Stimulierung des Vagusnervs – ein Zweig von Sensoren auf der Oberfläche des Ohrs, direkt am Daith – wirken könnte. Der Vagusnerv ist in zweierlei Hinsicht wichtig für die Linderung von Migräne. Zum einen kann die Stimulation des Vagusnervs die Verarbeitung und Weiterleitung von Schmerzsignalen beeinflussen. Und zweitens modifiziert der Vagus auch die „Erregbarkeit“ der Hirnrinde (die äußere Hülle des größten Teils des Gehirns). Das ist wichtig, weil man vermutet, dass Migräne durch Aktivitätsstörungen in der Hirnrinde verursacht wird.
Daraus ergibt sich die Theorie, wie das Daith-Piercing zur Linderung von Migräne wirken könnte. Aber die Erkenntnisse darüber, ob es tatsächlich hilft oder nicht, sind immer noch nicht überzeugend…
Gibt es Beweise dafür, dass ein Daith-Piercing bei Migräne wirkt?
Kurz gesagt: Es wurden keine placebokontrollierten Studien durchgeführt, die bestätigen, dass ein Daith-Piercing Migränesymptome lindert.
Warum ist das wichtig? Weil placebokontrollierte Studien uns helfen sollen, den Unterschied zwischen einem Behandlungseffekt – einem direkten physiologischen Effekt auf eine Erkrankung – und einem Placeboeffekt zu erkennen. Ein Placebo-Effekt tritt auf, wenn sich Menschen besser fühlen, weil sich die psychologische Wirkung einer positiven Handlung positiv auf ihre Symptome auswirken kann.
Ohne eine placebokontrollierte Studie gibt es keine Möglichkeit zu wissen, ob ein Medikament oder eine Behandlung wirklich wirkt, oder ob es wirkt, weil die Menschen glauben, dass es wirkt.
Obwohl einige Menschen berichten, dass das Daith-Piercing ihnen bei ihrer Migräne geholfen hat, wird diese Art von Beweisen als „anekdotisch“ bezeichnet – d.h. sie haben keine wissenschaftliche Grundlage. Einzelpersonen haben im Internet und Forscher in Fallstudien darüber berichtet, dass Daith-Piercings Migränebeschwerden lindern können. Die London Migraine Clinic hat auch eine Umfrage unter Migränepatienten durchgeführt, die ein Daith-Piercing haben.
Die Mehrzahl der Befragten gab an, dass sich ihre Symptome nach dem Piercing gebessert haben, seltener auftraten und weniger schwerwiegend waren. Einige Menschen stellten keine Veränderung nach dem Piercing fest, während andere darüber berichteten, dass die Wirkung des Piercings mit der Zeit nachließ.
Es ist nämlich möglich, dass die Wirkung nachlässt, sobald das Piercing abheilt.
Sollten Sie sich ein Daith-Piercing stechen lassen?
Im Grunde genommen wissen wir nicht mit Sicherheit, ob das Daith-Piercing wirklich bei Migräne hilft. Natürlich ist keine Migränebehandlung zu 100% wirksam, jedoch gibt es andere Behandlungsmethoden, für die es überzeugendere wissenschaftliche Belege gibt. Dazu gehören auch andere nichtmedikamentöse Behandlungen wie Entspannungstechniken, Akupunktur oder Physiotherapie.
Wenn Ihnen das Piercing trotzdem gefällt und Sie denken, dass jede Wirkung auf Ihre Migränebeschwerden nur ein zusätzlicher Nutzen sein könnte, dann wäre es einen Versuch wert. Achten Sie nur darauf, dass Sie zu einem lizenzierten Piercer gehen, um das Risiko von Komplikationen zu minimieren.
Wenn Sie sich aber nicht für die Idee begeistern können, ein Piercing an einer so empfindlichen Stelle zu pflegen, ist es wahrscheinlich besser, sich nach anderen Möglichkeiten umzusehen. Und da die Vorteile eines Daith-Piercings unklar sind, lässt sich schwer sagen, ob sich das Risiko lohnt.