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Eine brünette Frau die die Hände an den Kopf hält um anzuzeigen, dass sie eine Migräneattacke hat, sowie ein menschliches Gehirn in dem durch grüne Pfeile das Fortschreiten einer Migräne dargestellt wird.
Asger Hee Stjernholm, MSc

Was passiert im Gehirn während einer Migräne?

Bis ins 20. Jahrhundert war es ein Rätsel wodurch Migräne ausgelöst wird und was dabei im Körper passiert. In den letzten Jahren haben Wissenschaftler aber viele der Mechanismen entdeckt die beim Entstehen und bei der Entwicklung einer Migräneattacke eine Rolle spielen. Dieser Artikel wird sich mit den wichtigsten dieser Mechanismen beschäftigen.

Wie eine Migräneattacke aussieht

Im Gehirn laufen viele komplizierte biochemische und elektrische Prozesse ab, und manche davon werden noch nicht einmal von der Wissenschaft vollkommen verstanden – daher ist es keine Überraschung dass die Beschreibung einer Migräneattacke nicht einfach ist. In diesem Artikel werden wir daher versuchen diesen Prozess so einfach wie möglich für Sie darzustellen, auch wenn Sie nicht viel über Nervenzellen und Chemie wissen.

Zu Beginn kann es hilfreich sein, sich mit einem Vergleich vorzustellen was passiert wenn eine Migräneattacke getriggert wird: stellen Sie sich eine große Truppe von Tänzerinnen vor die einen Tanz zu Musik aufführen. Die Musik gibt an wann sie welche Bewegung ausführen sollen.

Stellen Sie sich vor dass jede Tänzerin eine handvoll Murmeln in ihrer linken Hand hält. Während des Tanzens verliert sie manchmal aus Versehen eine Murmel die sie schnell wieder aufheben muss. Nun kann es sein dass eine der Tänzerinnen müde wird und die Murmeln nicht mehr so schnell aufheben kann, oder sie schneller tanzt und so mehr Murmeln verliert.
Nach einer Weile rollen schon mehrere Murmeln auf dem Boden herum, was die Wahrscheinlichkeit erhöht dass sie auf einer davon ausrutscht. Wenn das passiert verliert sie alle Murmeln die daraufhin zwischen den Füßen der anderen Tänzerinnen herumrollen.
Die anderen Tänzerinnen müssen daraufhin die Murmeln schnell aufheben, da sie sonst auch stürzen und ihre eigenen Murmeln verlieren und eine Kettenreaktion auslösen würden.

Diese Vorstellung ist natürlich etwas absurd, aber der Ablauf ist in etwa mit der Kettenreaktion vergleichbar die im Gehirn stattfindet wenn eine Migräneattacke getriggert wird. Mit den genauen biologischen Prozessen dahinter setzen wir uns jetzt auseinander.

Das Gehirn vor einer Migräneattacke

Die folgende Abbildung zeigt Nervenzellen umgeben von Extrazellularflüssigkeit (ECF) im normalen Gehirn:
Abb. 5: Eine Abbildung der Nervenzellen umgeben von Extrazellularflüssigkeit (ECF) im normalen Gehirn. Das Gehirn ist von der Hirnhaut umgeben; auf der Hirnhaut befinden sich die Arterien die das Gehirn mit Blut versorgen. Die Arterien besitzen Schmerzrezeptoren. Die K+-Konzentration (Kalium-Ionen) ist hoch innerhalb der Zellen und niedrig in der Extrazellularflüssigkeit. Bei Na+ (Natrium-Ionen) ist es genau umgekehrt.

Das gesamte Gehirn mit all seinen Nervenzellen und der ECF ist von Hirnhaut umgeben. An der Außenseite der Hirnhaut befinden sich die Arterien die das Gehirn mit Sauerstoff und Blut versorgen. Die Nervenzellen innerhalb des Gehirns können keinen Schmerz empfinden, aber die Arterien an der Außenseite haben schmerzempfindliche Nervenenden, sogenannte Schmerzrezeptoren.

Im Normalfall, wie er in Abbildung 5 dargestellt wird, ist die K+-Konzentration (Kalium-Ionen) hoch innerhalb der Nervenzellen und niedrig in der ECF. Bei Na+ (Natrium-Ionen) ist es genau umgekehrt.

Wenn eine Nervenzelle ein Signal sendet, treten einige der Kalium-Ionen aus der Zelle aus in die ECF, und einige der Natrium-Ionen gelangen in die Zelle, ungefähr so wie bei unseren Tänzerinnen wenn eine von ihnen eine Murmel verliert.

Das natürliche Gleichgewicht der Ionen wird durch sogenannte “Natrium-Kalium-Pumpen” innerhalb der Zellmembran aufrechterhalten. Diese Pumpen befördern laufend K+ aus der ECF in die Zellen und Na+ aus den Zellen in die ECF. In unserem Beispiel heben die Tänzerinnen die Murmeln auf sobald sie auf den Boden fallen.

Eine Migräneattacke wird getriggert

Es gibt eine große Zahl von Hinweisen darauf dass Migräneattacken getriggert werden wenn die K+-Konzentration in der ECF zu hoch ist. Das entspricht der Situation wo die Tänzerin so viele Murmeln fallen gelassen hat dass sie darauf ausrutscht. Die Erhöhung von K+ in der ECF kann folgende Gründe haben:

  • Wenn die Natrium-Kalium-Pumpen nicht genug Sauerstoff und/oder Blutzucker bekommen können die Kalium-Ionen nicht schnell genug aus der ECF gepumpt werden und die Konzentration von K+ in der ECF erhöht sich. Das kann passieren wenn die Arterien die diesen Bereich des Gehirns versorgen verengt sind sodass nicht ausreichend Blut durch sie fließen kann. Dadurch bekommen wiederum die Natrium-Kalium-Pumpen nicht genug Sauerstoff und Blutzucker. Wenn Sie seit einiger Zeit nichts gegessen haben kann Ihr Blutzucker so niedrig sein dass die Natrium-Kalium-Pumpen nicht die Energie bekommen die sie benötigen um die Kalium-Ionen schnell genug aus der ECF zu entfernen.
  • Wenn die Nervenzellen in kurzer Zeit sehr viele Signale gesendet haben erhöht sich K+ in der ECF (erinnern Sie sich: einige Kalium-Ionen verlassen die Nervenzellen jedes Mal wenn die Zelle ein Signal sendet). Das kann z. B. der Fall sein wenn Sie sehr gestresst oder übermüdet sind.
  • Wenn zu wenig K+ durch den Blutfluss, der normalerweise dabei hilft einen Teil des überschüssigen K+ wegzuschwemmen, entfernt wird. Das passiert wenn der Blutfluss in diesem Teil des Gehirns unzureichend ist.

Abbildung 6 zeigt die Situation wo sehr viel K+ aus einer Nervenzelle ausgetreten ist sodass die K+-Konzentration in der ECF darum herum zu hoch ist:

Abb. 6: Zu viel K+ ist in die Extrazellularflüssigkeit aus der linken Nervenzelle ausgetreten.


Eine Kettenreaktion beginnt

Wenn die K+-Konzentration in der ECF sehr hoch ist, kann das eine Kettenreaktion unter dem Namen Kortikale Streudepolarisierung oder Cortical Spreading Depression (CSD) auslösen, ein bisschen wie im Beispiel der stürzenden Tänzerinnen. CSD bewegt sich als langsame Welle an der Oberfläche des Gehirns entlang, mit einer Geschwindigkeit von ca. drei Millimetern pro Minute:
Zwei menschliche Gehirne vor grünem Hintergrund, die teilweise blau und rot markiert sind um das Fortschreiten der Cortical Spreading Depression darzustellen.

Wenn die CSD-Welle eine Nervenzelle erreicht bricht das natürliche Na+-und K+-Verhältnis zusammen, was wiederum dazu führt dass sich die CSD schneller ausbreitet.

Die nächste Stufe dieses Teufelskreises ist erreicht wenn (wie in Abbildung 8 zu sehen ist) genügend K+ in die ECF um die Nervenzelle gelangt ist. Das überschüssige K+ stellt einen Schlüssel dar der einen bestimmten Kanal in der Zellmembran öffnet:

Abb. 8: Die überschüssigen Kalium-Ionen in der Extrazellularflüssigkeit öffnen NMDA-Kanäle in der Zellmembran der linken Zelle.
Diese Kanäle – NMDA-Kanäle genannt – können nur von außen geöffnet werden, die Kalium-Ionen können das also nicht tun wenn sie noch in der Zelle sind. Wenn sich die NMDA-Kanäle öffnen kann eine große Menge Na+ aus der ECF in die Zelle eintreten (siehe Abbildung 9):
Abb. 9: Eine große Menge von Natrium-Ionen tritt in die linke Nervenzelle durch die NMDA-Kanäle ein und die Depolarisation der Zelle setzt ein.

Wenn all diese Natrium-Ionen in die Nervenzelle eintreten wird sie depolarisiert (in Abbildung 9 durch den Farbwechsel der Nervenzelle dargestellt). Das bedeutet dass sie ihre normale elektrische Ladung verliert und nicht mehr richtig funktioniert bis sie durch die Natrium-Kalium-Kanäle wieder aufgeladen wurde.

Das Öffnen der NMDA-Kanäle erlaubt es auch den Kalium-Ionen in die ECF auszutreten (wie die Tänzerin alle ihre Murmeln verliert wenn sie stürzt):

Abb. 10: Durch das Öffnen der NMDA-Kanäle entweicht noch mehr K+ aus der Nervenzelle in die Extrazellularflüssigkeit.
Das Innere der Nervenzelle hat nun sehr wenig K+ (durch die orange Farbe in Abbildung 10 dargestellt) während die ECF eine sehr hohe K+-Konzentration aufweist. Dieses überschüssige K+ breitet sich durch die ECF zu den benachbarten Nervenzellen aus (wie die Murmeln die über den Boden zu den anderen Tänzerinnen rollen), woraufhin sich auch die NMDA-Kanäle in diesen Zellen öffnen. Derselbe Prozess findet erneut statt: K+ tritt aus und Na+ ein, und die Zellen werden depolarisiert:
Abb. 11: Der Anstieg von extrazellulärem K+ triggert die Öffnung der NMDA-Kanäle in den benachbarten Nervenzellen in einer Kettenreaktion.

Diese Kettenreaktion springt von Zelle zu Zelle, öffnet NMDA-Kanäle, depolarisiert die Zellen und hebelt das natürliche Gleichgewicht von Na+ und K+ aus. Zu diesem Zeitpunkt erfahren einige MigränepatientInnen eine Migräne-Aura, da die CSD die normale Zellfunktion stört.

Die Kopfschmerzen setzen ein

Am Ende der CSD-Kettenreaktion können alle Nervenzellen in diesem Teil des Gehirns betroffen sein (alle Tänzerinnen sind gestürzt), wie in Abbildung 12 dargestellt:
Abb. 12: Durch die CSD-Welle werden die Nervenzellen depolarisiert und die normale Konzentration von Na+ und K+ gestört.
Da es innerhalb der Hirnhaut keine Schmerzrezeptoren gibt, spürt der/die Betroffene zu diesem Zeitpunkt normalerweise keinen Schmerz. Unglücklicherweise werden durch die CSD-Welle eine große Menge Moleküle (K+ und andere) freigesetzt die Schmerzen außerhalb der Hirnhaut auslösen können. Wenn die Attacke voranschreitet breiten sich die Moleküle über die Hirnhaut aus und erreichen irgendwann die Schmerzrezeptoren in den Gehirnarterien.
Abb. 13: K+ und andere schmerzinduzierende Substanzen durchdringen die Hirnhaut und erreichen die Schmerzrezeptoren in den Arterien.
Wie in Abbildung 13 dargestellt reagieren die Schmerzrezeptoren auf die schmerzinduzierenden Moleküle indem sie Schmerzsignale aussenden. Diese Signale wandern durch die Nerven bis zum Hirnstamm und bis zu dem Teil des Gehirns der für das Registrieren von Schmerz verantwortlich ist. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Kopfschmerzphase der Migräneattacke. Während dieses Vorgangs werden auch andere Nervenzellen aktiviert die für die anderen Symptome wie Übelkeit und Licht-/Lärmempfindlichkeit verantwortlich sind.

Sensibilisierung

Unglücklicherweise ist das nicht immer das Ende des Prozesses. Wenn die Schmerzrezeptoren aktiviert worden sind setzen sie Entzündungsmoleküle frei, unter anderem CGRP:
Abb. 14: Das Nervenende des Schmerzrezeptors setzt Entzündungsmoleküle frei.

CGRP ruft Entzündungen hervor was die Attacke verschlimmert und auch verlängert. Zu diesem Zeitpunkt kann es zu einer sogenannten Sensibilisierung kommen, was bedeutet dass die Schmerzrezeptoren und das Gehirn selbst noch empfindlicher werden was wiederum die Symptome verschlimmert.

Die Normalisierung beginnt

Während sich die Attacke entwickelt ist das Gehirn gleichzeitig dabei sich zu normalisieren indem es schmerzinduzierende Moleküle entfernt und versucht das Gleichgewicht zwischen Natrium- und Kalium-Ionen wiederherzustellen. Dieser Prozess läuft schneller ab wenn Sie schlafen weshalb Schlaf eine der besten Mittel gegen Migräne ist. Allerdings kann es immer noch eine lange Zeit dauern bis sich der Körper wieder erholt hat.

Zusammenfassung

Migräneattacken werden getriggert wenn Gehirnzellen ihr natürliches Gleichgewicht von Natrium- und Kalium-Ionen verlieren, z. B. wenn sie nicht genügend Sauerstoff erhalten. Das führt zu einer Kettenreaktion namens Kortikale Streudepolarisierung (CSD) die zur Destabilisierung von noch mehr Nervenzellen und der Freisetzung von schmerzinduzierenden Molekülen führt.

Wenn genug Gehirnzellen von der CSD-Welle betroffen sind wandert eine große Anzahl von Schmerzmolekülen durch die Hirnhaut und erreicht nach einer Weile die Schmerzrezeptoren an der Außenseite des Gehirns. Das verursacht die Migränekopfschmerzen.

Weil der Zusammenbruch des natürlichen Gleichgewichts des Gehirns so drastisch ist und so viele Schmerzauslöser freigesetzt werden kann es Tage dauern bis das Gehirn in seinen Normalzustand zurückgekehrt ist.

Regentropfen auf Glas mit hellblauem Hintergrund.
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